(Agos ist die Zeitung der armenischen Gemeinde in Istanbul)

Was hat Sie veranlasst einen Dokumentarfilm über die griechische Gemeinde in Istanbul zu drehen?

Ursprünglich wollte ich eine Dokumentation über die Istiklal Caddesi drehen. Aber die ist heute eine Einkaufsstraße, wie es Hunderte gibt überall auf der Welt. Wie war es dort früher, was hat die Istiklal Caddesi so verändert ?   Über diese Fragen stieß ich (erneut) auf die Geschichte der griechischen Gemeinde in Istanbul. Ihre Geschichte hat nicht nur

das Aussehen dieser Einkaufsstraße verändert, es hat die ganze Stadt, die Türkei und selbst das Nachbarland Griechenland verändert. Und als ich nachforschte, stellte ich fest, es gibt zu diesem Thema zwar etliche Bücher, aber als Film nur zwei Nachrichtenfilme in der Türkei aus dem Jahre 2005 – keine ausführliche Dokumentation, weder in Griechenland, noch in der Türkei. Es steht ja auch weder in den türkischen noch in den griechischen Schulbüchern kein Wort über die Geschichte der Griechischen Gemeinde in Istanbul. Ihre Geschichte droht mit jedem Gemeindemitglied, das stirbt, ein wenig mehr in Vergessenheit zu geraten.

Was hat Sie an dieser Geschichte am meisten bewegt?

Dass man als Angehöriger einer Minderheit schikaniert, attackiert und schließlich sogar deportiert wird ist grausam. Aber um ehrlich zu sein, waren es nicht die Geschichten von den Gewalttaten z.B. am 6-7. September, die mich am meisten bewegten. Mich hat am meisten bewegt, als mir einer der griechischen Gemeinde in Istanbul erzählte, dass er sein ganzes Leben über nicht wagte, ein Dokument mit seinem griechischen Namen zu unterzeichnen, keinem Arzt seinen griechischen Namen sagen wollte. Er habe viele gute türkische Freunde, aber er glaube nicht, dass die wüssten, dass der Grieche ist. Was heisst es , sein ganzes Leben wie ein Verbrecher auf der Flucht zu verbringen ? Das ganzes Leben lang die eigene Identität verstecken zu müssen ? Das ist glaube ich ist das eigentlich Schlimme, das alle Mitglieder einer Minderheit erfahren, die in einer Gesellschaft leben, in der es keine Toleranz und keinen Respekt und Anerkennung gegenüber Mitgliedern eine anderen Ethnie oder eines anderen Glaubens gibt.

10. April 2013