Im Land des Hamam: Dieter Sauter erklärt die Türkei in facettenreichen Geschichten

Es kommt nicht oft vor, dass zwei Länder so viel miteinander zu tun haben, und dennoch so wenig übereinander wissen wie Deutschland und die Türkei. „Wie ist die Türkei den so“, wird Dieter Sauter deshalb oft von Deutschen gefragt.  Um eine klügere Frage zu stellen, müsste man bereits ein bisschen etwas über die Türkei wissen.

Dieter Sauter, der von 1992 an das ARD-Studie Istanul geleitet hat und seit dem vergangenen Jahr als freier Autor in der Stadt lebt, hat lange nicht recht gewusst, was sie auf diese Frage antworten sollte.

Zu komplex und auch zu konträr sind die Verhältnisse in der Türkei, als das in wenigen Sätzen beschreiben ließen. Sein Buch „im Land des Hamam“ ist nun der ausführliche Versuch zu erklären, wie die Türkei den so ist.

Wobei das grundsätzliche Problem bestehen bleibt, trotz mehr als 200 Seiten anstelle nur weniger Sätze während einer abendlichen Plauderei: Wo beginnen? Wo fortfahren? Das Buch versammelt 25 kürzere Reportagen, die jeweils von einem Menschen oder einer kleinen Gruppe handeln. Einige Geschichten stehen sinnbildlich für die allgemeinen Zustände oder für eine breite Entwicklung, andere ganz für sich. Zusammen ergeben sie kein vollständiges Bild der Türkei, das ist auch nicht Sautter, aber doch ein sehr facettenreiches.

Anfangs glaubt man für einen Augenblick, Sauter sei der Türkei überdrüssig, er sei nach bald 15 Jahren von dem Land enttäuscht, zeige sich gekränkt, verletzt. Die ersten Reportagen erzählen allesamt vom Niedergang: vom Ende der öffentlichen Badehäuser, vom Siechtum der Fischerei, von den Selbstmorden überschuldete Kreditkartenbesitzer. Es geht Sauter aber nicht darum, sein Gastland schlecht zu reden. Seine Besuche im Hamam und auf Fischerbooten sind notwendige Begegnungen, weil sie weithin verbreitete Stimmung in Istanbul veranschaulichen, überdies beleuchten sie einen Strukturwandel in der Stadt, der im Fall der Badeanstalten nicht nur von Verlusten, sondern auch von der Modernisierung der Infrastruktur kündet.

Alsbald mischen sich auch positive Geschichten unter die Reportagen: solche von Derwisch-Tänzern, die eine Frau in ihren Reihen dulden, oder von einem alten, der seinen mühsam beackern entfällt einen prähistorischen Schatz abgetrotzt hat. Dass die Türkei mit dem Buch nicht wirklich beschrieben sei, wie Sauter eingewendet, ist der Bescheidenheit demnach fast zu viel.

14.09.2006