Ankara unterstützt den Krieg der Koalition der arabischen Liga gegen die schiitischen Huthi-Rebellen im Jemen. Was verspricht sich die Türkei von der Teilnahme an einem neuen Krieg im Mittleren Osten?

Die türkische Öffentlichkeit nahm es bislang kaum zur Kenntnis. Die Hundertschaft der Meinungsmacher am Bosporus, die Tag für Tag einen Kommentar zu jedem erdenklichen Thema absetzt, schweigt, während der türkische Präsident Tayyip Erdogan den Nachbarn Iran offen zum Feind erklärt.


In einem Interview mit dem französischen Sender France 24 (25.3.) hört sich das so an: Die Außenpolitik des Iran verstimme Ankara und die arabischen Staaten am Golf mehr und mehr. Teheran wolle den gesamten Mittleren Osten dominieren. Das sei inakzeptabel. Der Iran bekämpfe den Islamischen Staat nur, um dort die Macht zu übernehmen, wo der IS geschlagen ist. Teheran müsse seine Milizen aus dem Jemen, aus Syrien und dem Irak vollständig abziehen und die territoriale Integrität dieser Länder respektieren.


Das ist ein Schwenk in der türkischen Außenpolitik, der sich gewaschen hat. Auch wenn der Iran immer ein Konkurrent im Ringen um Einfluss in der Region war, bisher war Ankara immer bemüht, gute Beziehungen zum iranischen Nachbarn zu pflegen. Mehr offen als verdeckt unterlief die Türkei über den Handel mit Gold sogar einen Teil des westlichen Embargos gegen Iran - und beharrte darauf, trotz aller Sanktionen weiter Gas vom Nachbarn zu kaufen.


Noch im Juni letzten Jahres war der neu gewählte iranische Staatspräsident Rohani Gast in Ankara. "Der Iran und die Türkei, die beiden wichtigen Staaten der Region, sind entschlossen, gegen Extremismus und Terrorismus zu kämpfen", so die gemeinsame Position damals, vor 9 Monaten.


Das galt auch noch im Dezember letzten Jahres. Damals war der türkische Aussenminister Mevlüt Cavusoglu in Teheran: "Der Iran und die Türkei haben unterschiedliche Standpunkte zu Syrien, aber wir arbeiten daran, eine einvernehmliche Lösung zu finden".


Wieso in den letzten drei Monaten alle Gemeinsamkeiten aufgebraucht wurden, bleibt im Dunkeln. Mit einem Mal erklärt der türkische Staatspräsident den Iran zum Feind und unterstützt im gleichen Atemzug die Intervention einer von Saudi-Arabien geführten Koalition im Jemen gegen die schiitischen Huthi- Rebellen, die vom Iran unterstützt werden.


Im Klartext heißt das: Ankara führt jetzt auch Krieg im Jemen. Noch ist offen, was mit der „logistischen Unterstützung" gemeint ist, die Ankara für den Einsatz im Jemen zugesagt hat.


Doch das ist nicht der einzige Schwenk, der in der türkischen Aussenpolitik. Während es keine Gemeinsamkeiten mehr mit Iran gibt, führt Ankara nun gemeinsam mit Ägypten Krieg, einem führenden Bündnispartner Saudi-Arabiens im Krieg um den Jemen.


Kairo und Ankara wollten bislang nicht einmal gemeinsam an einem Konferenztisch Platz nehmen. Ägypten hatte vor einiger Zeit sogar den türkischen Botschafter ausgewiesen. Damals machte Ankara mit allen Mitteln Front gegen die Militärs in Kairo, weil sie die Mursi Regierung gestürzt hatten, die der Regierung in Ankara nahe stand. Noch im Dezember verbot die ägyptische Regierung ihren Bürgern Reisen in die Türkei „ohne wichtigen Grund".


Vor wenigen Tagen jedoch twitterte der Verräter vieler Staatsgeheimnisse am Bosporus mit dem Codenamen Fuat Avni: Tayyip Erdogan habe sich auf Vermittlung des Saudischen Königshauses am 2. März mit dem ägyptischen Präsidenten Sisi getroffen und ihm zugesagt, künftig nicht mehr gegen ihn vorzugehen. Soweit nachprüfbar, hatte Fuat Avni mit seinen „Veröffentlichungen" bislang recht.


Es wurde schon viel gespottet über die türkische Außenpolitik. Dabei war sie nicht widersinnig, wenn auch sehr ambitioniert. Damals hatte Ankara die Vision von einer Partnerschaft mit den arabischen Staaten, dem Aufbau einer Art arabischer EU, und wenn alles nach Plan verlaufe, unter türkischer Führung.


Doch die arabischen Staaten blickten damals mit Skepsis auf die Türkei. Ankara war zu weltlich, die türkische Außenpolitik war ihnen zu einseitig nach Westen ausgerichtet und Ankara hatte auch noch seit jeher beste Beziehungen zu Israel. Unter der AKP änderte sich jedoch vieles. Die Religion spielt inzwischen am Bosporus eine wichtige Rolle, die Türken machten beim Einmarsch der USA im Irak 2003 einfach nicht mit, Ankara und Damaskus rückten zusammen, die Beziehungen zu Saudi-Arabien wurden enger – während die Türkei zu Israel nicht einmal mehr diplomatische Beziehungen unterhält. Ankara gewann Ansehen unter den arabischen Staaten und Einfluss in der arabischen Liga.

Seit dem sog. arabischen Frühling aber läuft nicht mehr viel nach Plan für Ankara. Die Türkei hat sich mehr und mehr ins Abseits manövriert – während Teheran zunehmend an Einfluss im Mittleren Osten gewinnt, wie in Syrien, Libanon, Irak und auch im Jemen. Gelingt es Iran mit einem erfolgreichen Abschluss der Atomverhandlungen, seine Beziehungen auch zu den westlichen Staaten zu normalisieren, könnte Teheran zum ernsten Konkurrenten für Ankara in der Region werden.


Offenbar glaubt Ankara, verlorenen Boden wieder gut machen zu können, indem es sich ohne Wenn und Aber dem „Sunnitischen Block" Saudi-Arabiens, der Golfstaaten und Ägypten gegen Iran anschließt. Strategie oder wieder nur ein kurzatmiges Manöver ? Möglicherweise wird dieser Krieg aber alles andere als kurz dauern.

 

Die Fronten in den zahlreichen militärischen Konflikten im Mittleren Osten werden jedenfalls immer komplizierter. Die Türkei kämpft jetzt in einer Koalition der USA in Syrien gegen den IS und Assad. Sie kämpft auch gegen die Kurden der PKK in Syrien, gegen die PYD, während sie mit der PKK in der Türkei über einen Frieden verhandelt. Assad wird vom Iran unterstützt und er kämpft gleichzeitig auch gegen den IS und die PYD – und die USA beginnen anscheinend wieder Gespräche mit ihm. Im Irak ist die Türkei Teil der Koalition gegen den IS, gegen den auch die PKK im Nordirak kämpft. der Irak wird ebenfalls vom Iran unterstützt, gegen den Türkei jetzt im Jemen antritt, während die USA mit Teheran gleichzeitig über ein Atomabkommen verhandeln. Und das soll gut gehen ? Offenbar haben nicht einmal die USA so etwas wie eine Strategie zur Befriedung der Region.