Dieter Sauter
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'Amis raus aus der Türkei!'?

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Erstellt: 15. Januar 2017

Der Ton aus Ankara Richtung Washington wird immer rauher. Steuert die Türkei auf einen Bruch mit den USA zu ?

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Geht es noch schlechter?

Erst gestern (14.1.) zitierte das Nachrichtenportal OdaTV den AKP Abgeordneten Samil Tayyar: Der Terroranschlag auf den Istanbuler Nachtclub Reina, bei dem 39 Menschen starben, sei eine „Aktion des CIA“ gewesen. Amerika wolle die Türkei destabilisieren, um das Land besser an die Kandare nehmen zu können. Der türkische Regierungschef Yildirim beschimpfte vor wenigen Tagen den US Botschafter in Ankara. Der begehe „Dummheiten“. Innenminister Soylu wusste schon zwei Tage nach dem Putschversuch türkischer Militärs, Amerika habe diesen Putschversuch unterstützt. Kurz vor Weihnachten musste der US Botschafter in Ankara gar öffentlich dementieren, die USA hätten nichts mit dem Mordanschlag auf den russischen Botschafter in der türkischen Hauptstadt zu tun. Die regierungsnahe Presse schreibt, die US Luftwaffe fliege vom türkischen Stützpunkt Incirlik mit Waffen für die PKK in den Nordirak, während die Kurden im Norden Syriens der Bevölkerung mit Hilfe der USA Lektionen in Marxismus erteilten.

Wer meint, das sei haarsträubender Unsinn, auf den nicht einmal ein Liebhaber von Hass-Meldungen bei Facebook hereinfällt, der übersieht: Es gibt am Bosporus mittlerweile kaum andere Nachrichten, ob im Fernsehen, gedruckt oder im Internet. Das Ergebnis: Inzwischen glauben dreiviertel aller Türken, hinter den Terrororganisationen, die das Land bedrohen, stünden „ausländische Mächte“ (Forschungsinstitut A&G). Die meisten, nämlich 80,3 %, sehen Amerika als Gefährder des Landes ( dann folgt Israel mit 45,1% und die EU mit 34,5%) Auch wenn man solche Zahlen mit Vorsicht genießen muss: Das Research Center der Privatuniversität Kadir Has in Istanbul bestätigt diesen Trend. 2015 sahen 35.3 % der Befragten die USA als Bedrohung für die Türkei, 2016 waren es schon 44,1 %.

Die AKP Regierung Tayyip Erdogans hatte noch nie ein problemfreies Verhältnis zum Verbündeten USA. Kaum war sie an der Macht, sahen schon einige die amerikanisch-türkischen Beziehungen vor dem Kollaps. Damals hatte das türkische Parlament dem US Militär untersagt, beim Angriff auf den Irak über die Türkei eine Nordfront zu eröffnen. Im Gegenzug bewaffneten die USA die Kurden im Nordirak. Die galten damals in Ankara als erbitterte Feinde der Türkei.

Danach verschlechterte sich das Verhältnis der Türkei zu Israel bis zum Abbruch der diplomatischen Beziehungen, während die Hamas öffentlich umarmt wurde. In den USA aber steht die Hamas auf der Liste der Terrororganisationen. Außerdem geriet die Türkei in Verdacht, die Wirtschaftssanktionen gegen den Iran zu unterlaufen. Dann wollte der NATO Partner Türkei plötzlich von den USA kein Raketenabwehrsystem mehr haben, sondern ließ sich stattdessen Angebote aus Peking schicken. Außerdem war überall von Geheimdienstinformationen zu lesen, wonach der türkische Geheimdienst radikale Islamisten bis hin zu Al Kaida und IS im Kampf gegen das Assad Regime in Syrien unterstütze.

Und heute? Heute residiert der Staatsfeind Nummer 1 der Türkei, der Prediger Fethullah Gülen, in den USA – und seine Auslieferung an die türkische Justiz ist ungewiss. Schon im August letzten Jahres hatte der türkische Staatspräsident Tayyip Erdogan gedroht, Amerika müsse sich entscheiden zwischen der Türkei und dem Prediger Gülen.

Außerdem unterstützen die USA die Kurden der PYD im Norden Syriens. Doch die hält die türkische Regierung für noch bedrohlicher als das Assad-Regime in Damaskus. Die PYD sei bloß ein Ableger der PKK in Nordsyrien, und deren maßgeblicher Helfer im Kampf gegen die türkischen Sicherheitskräfte. So schießt die türkische Armee im Norden Syriens auf den Verbündeten der USA – und klagt: Wenn türkische Kommandos in Nordsyrien vom US Militär auf dem türkischen Stützpunkt Incirlik Luftunterstützung anforderten, dann hörten sie immer nur: Geht nicht, das Wetter ist zu schlecht.

Inzwischen droht selbst der türkische Verteidigungsminister: ‚Unser Volk fragt uns, wieso wir den USA unseren Stützpunkt zur Verfügung stellen, wenn sie uns nicht unterstützen.’ Bereits vor einem Jahr hatte die regierungsnahe Tageszeitung Yeni Safak gefordert, Amerika solle vom Stützpunkt Incirlik abziehen. Das Verhältnis zu den USA sei sowieso zerrüttet. Letzte Woche legte die Zeitung nach: 45 tausend Leser hätten sich an einer Umfrage beteiligt, 97 % wollten den sofortigen Abzug des US Militärs aus der Türkei.

Wie geht das weiter? Schließt Ankara nun alle Stützpunkte in der Türkei für das US Militär – während im Gegenzug Washington ein Waffenembargo gegen Ankara verhängt?

Geschehen ist das so bereits vor gut 40 Jahren, nach der Invasion türkischer Streitkräfte auf Zypern. Washington lieferte damals keine Waffen mehr an die Türkei. Ankara bereitete die Ausweisung von 6.000 amerikanischen Staatsbürgern vor und schloss einen Vertrag über wirtschaftliche Zusammenarbeit mit Moskau. Russland zahlte den Türken 1,2 Mrd US Dollar Wirtschaftshilfe

Doch dann öffnete die türkische Regierung wieder ein Hintertürchen für Amerika: Gegen ein Programm zur Rüstungshilfe für die türkischen Streitkräfte (1,3 Mrd USD) werde man alle Maßnahmen noch einmal überdenken. Die Rüstungshilfe kam, Washington hob 1978 das Waffenembargo wieder auf – und Ankara öffnete dem US-Militär erneut seine Pforten.

So glauben auch heute etliche Beobachter am Bosporus: Gedroht wird dem scheidenden Präsidenten Obama. Tatsächlich aber will man die kommende Trump Regierung gewogen stimmen – auch indem man die Druckmittel präsentiert.

Die türkische Regierung wollte nie eine Präsidentin Hillary Clinton. Tayyip Erdogan verspottete sie sogar als „unerfahren“, als „Greenhorn“ in der Außenpolitik, weil auch sie sich für die Unterstützung der Kurden im Norden Syriens ausgesprochen hatte. Bereits vor den Wahlen in den USA war am Bosporus überall zu lesen, über 65 % der türkischen Wähler sähen gerne Donald Trump als neuen Chef im Weißen Haus. Kurz nach den Wahlen in den USA (23.11.) schmeichelte Tayyip Erdogan bei einer Rede vor einer islamischen Wirtschaftsorganisation: Man höre in Europa viel Kritik an der Wahl Donald Trumps zum Präsidenten der Vereinigten Staaten. „Sind das keine Demokraten? Heißt Demokratie nicht, dass man das Ergebnis einer Wahl respektiert?“

Seither haben Erdogan und der türkische Außenminister Cavusoglu mehrmals einen „Neustart“ in den türkisch-amerikanischen Beziehungen (Erdogan: ‚Ich wünsche mir die USA als starken Verbündeten an unserer Seite“) beschworen. Beide wissen, ohne Aufklärung und direkte Waffenhilfe durch die USA geraten die geschwächten Sicherheitskräfte der Türkei rasch in eine prekäre Lage.

Türkische Wirtschaftswissenschaftler wie Fatih Kerestci sehen noch weitere Vorteile einer Trump-Regierung für Ankara. Bleibt Donald Trump bei seiner angekündigten protektionistischen Handelspolitik, dann müsse sich die EU alternative Märkte zu Amerika suchen. Die Türkei werde als Wirtschaftspartner für Europa noch wichtiger als bisher.

Riskiert Trump weiter Spannungen mit China, dann hält sich Amerika noch mehr als bisher im Mittleren Osten zurück Damit werde eine Regionalmacht Türkei für die USA noch wichtiger als schon jetzt. Der Spielraum Ankaras in der Region werde größer. Selbst die „strategische Zusammenarbeit“ mit Moskau sei kein Problem Bekanntlich verstünden sich Trump und Putin sehr gut.

Außerdem wird der kommende US Außenminister Tillerson mit den Worten zitiert: Werte wie Menschenrechte könne man bei internationalen Beziehungen nicht zur Bedingung machen, wenn es um die nationale Sicherheit der Vereinigten Staaten geht. Das passt vor allem Tayyip Erdogan gut, jetzt, wo die Kritik aus Europa an seinem geplanten Präsidialsystem immer lauter wird.

Bislang sind das aber nur kurzfristige türkische Hoffnungen mit vielen Unbekannten. Ein außenpolitisches Konzept, wie sich Ankara bewegen will in dem Geflecht von Konflikten und Koalitionen zwischen Amerika, Russland, der EU, Iran und Saudi-Arabien ist nicht in Sicht. Dadurch kann die Lage in der Krisenregion Naher- und Mittlerer Osten noch unberechenbarer werden.

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