Dieter Sauter
  • Fotos
  • Filme
  • Texte
    • Alle Texte
    • Innenpolitik
    • Innenpolitik Kurden
    • Aussenpolitik
    • Aussenpolitik EU und D
    • Kultur und Geschichte
  • Bücher

Wird's besser? Wird's schlechter?

Details
Erstellt: 06. Dezember 2017

In Sachen Innenpolitik lief es 2017 für den türkischen Staatspräsidenten Tayyip Erdogan nicht schlecht. Man denke nur an das Referendum zum Präsidialsystem. Wie sieht die außenpolitische Bilanz aus? Wendet sich Ankara bald ganz vom Westen ab – und wohin?

171206 0910 1161131 fahnenjunge

 

Noch vor fünf Jahren, im April 2012, schmeichelte der Chef des privaten amerikanischen Geheimdienstes Stratfor, George Friedman, der Türkei. Sie sei auf dem Weg zu einer Großmacht, „eine Großmacht im Wartestand“. Die Analysten, die soweit nicht gehen wollten, beschrieben das Land am Bosporus immerhin als Regionalmacht mit Modellcharakter im Nahen und Mittleren Osten und darüber hinaus. Der damalige Staatspräsident Abdullah Gül wagte sogar das Wort von der Türkei als „geistig-moralischer Macht“.

Immerhin: 2009-2010, bei Wahlen für einen Sitz im Sicherheitsrat der Vereinten Nationen, erhielt die Türkei 151 Stimmen von 192 Staaten.

Und heute?

Bei den Wahlen 2016-2017 fiel das Land mit gerade mal 60 Stimmen durch. Gewählt wurde Ägypten mit 179 Stimmen. Auf dem sog. „Friedensindex“ des Forschungsinstitutes für Frieden und Wirtschaft in Sydney rangiert die Türkei nun auf Platz 146 von 163 Staaten. Ein weiteres Mal ist ein Versuch gescheitert, das Zypernproblem zu lösen. Die EU hat die Beitrittshilfen an Ankara gekürzt und eine Reform der Zollunion mit der EU ist ungewiss.

Ankaras Ansehen ist angeschlagen

Ankaras Ansehen ist angeschlagen. Deshalb hat die AKP Regierung im letzten halben Jahr rund 50 Mio Euro für eine Imagekampagne im Ausland ausgegeben. Aber ersetzt das die Außenpolitik? „Gesucht wird eine außenpolitische Vision!“ mahnt ein Kommentator der eher konservativen türkischen Tageszeitung Karar im Oktober. Es sei nirgends eine mittel- oder langfristige Strategie erkennbar, um die Probleme in der Region zu lösen.

Tatsächlich ist sich der türkische Staatspräsident Tayyip Erdogan mit dem amerikanischen Präsidenten Trump zurzeit vor allem in einem nah: Die Haltbarkeit ihrer Aussagen ist nicht vorhersehbar.

Die Erwartungen und Hoffnungen Erdogans beim Amtsantritt Donald Trumps’ waren groß. „Wir werden die türkisch-amerikanischen Beziehungen im Rahmen eines strategischen Konzeptes neu bewerten. Sind unsere strategischen Beziehungen zurzeit in Ordnung? Nein. Wir sollten sie in Ordnung bringen!” so kurz nach dem Amtsantritt von Donald Trump. 9 Monate später sind die Beziehungen zwischen Ankara und Washington so schlecht wie noch nie in den vergangenen 70 Jahren: „Wir können unsere strategische Partnerschaft mit den USA auch grundlegend überdenken“, droht Tayyip Erdogan Ende Oktober.

 

Alter und neuer Streit

Die Konflikte mit der Trump-Regierung sind die alten – wie mit der Regierung Obama. In Pennsylvania lebt unbehelligt der Staatsfeind Nummer eins der Türkei, der Prediger Gülen, den Erdogan für den Putschversuch verantwortlich macht. Im Mittleren Osten haben die USA haben ihre ordnende Rolle aufgegeben und Russland und Iran ein weites Feld überlassen. In Syrien aber halten sie sich nach wie vor an die Kurden (YPG). Die sind für Ankara jedoch nur „die PKK Terroristen“.

Neuer Streit kam hinzu. Als Ankara einen US-Bürger wegen „Terrorverdachts“ verhaftete, hob die Trump-Regierung die uneingeschränkte Einreise von türkischen Staatsbürgern in die USA auf. Und dann noch dies: Ein türkisch-iranischer Geschäftsmann (Zarrab) berichtet in einem Prozess in New York zahlreiche schmutzige Einzelheiten von horrenden Schmiergeldzahlungen an türkische AKP Politiker. Der türkische Staatspräsident hält das vor der AKP Fraktion einen „internationalen Putschversuch“ gegen seine Regierung. Die türkische Staatsanwaltschaft erlässt im Gegenzug einen Haftbefehl gegen einen ehemaligen stellvertretenden CIA Direktor. Die regierungsnahe türkische Presse spekuliert über ein Aus der Beziehungen zu Amerika. Die Tageszeitung STAR kommentiert gar: Vielleicht müssen wir ja einmal gegen die USA kämpfen! Andere schreiben: Raus aus der NATO!

Der amerikanische (noch) Außenminister Tillerson nimmt das ernst und erinnert Ankara daran: ‚Russland und Iran könnten der Türkei weder wirtschaftlich noch politisch so viel nutzen wie der Westen’. Immerhin nutzen das US Militär und die NATO rund ein Dutzend türkischer Garnisonen am Bosporus. Es halten sich aber auch Gerüchte, Washington prüfe schon mal, ob es seine Atomsprengköpfe nicht auf die US Basis in Katar schaffen könnte. (mehr dazu hier)

Putin – der neue große Bruder?

Wird jetzt Vladimir Putin der neue große Bruder von Tayyip Erdogan?


Es stimmt, Putin nervt Erdogan nicht mit Klagen über Menschenrechte. Es stimmt aber auch: Für Putin ist die PKK noch nicht einmal eine Terrororganisation. Moskau bereitet einen „Kongress des syrisch-nationalen Dialogs“ mit den Oppositionsgruppen des Landes vor. Ankara protestiert wütend, weil das russische Außenministerium die Kurden nicht ausschließen will. Im Gegenteil: Vor wenigen Tagen hat der russische Außenminister die Kurden der YPG in Moskau empfangen, um über die Zukunft Syriens zu beraten. Selbst beim Gipfel (Russland-Iran-Türkei) zu Syrien sei Erdogan nicht dabei, sondern daneben gesessen, schreiben einige türkische Korrespondenten. Das war „Nicht 3 sondern 2+1“.

Die Achse Moskau-Ankara ist bislang also nur bedingt belastbar. Russland hat noch nicht einmal alle Importbeschränkungen für landwirtschaftliche Produkte aus der Türkei aufgehoben, obgleich darüber seit mehr als einem Jahr verhandelt wird.

Selbst zum Kauf eines russischen Raketenabwehrsystems (S-400) gibt es nach mehr als einem Jahr Verhandlungen noch immer widersprüchliche Nachrichten. Putin hat sich dafür erst einmal von Ankara 2 Mrd USD als Anzahlung überweisen lassen. Aber die Russen fürchten, dass wichtige technische Details ihres Waffensystems über Ankara nach Washington gelangen könnten. Also verweigern sie den Türkei den Technologietransfer. Erst werde China beliefert, Ankara müsse warten, hieß es zunächst – während die türkische Regierung überlegt, ob das Raketensystem ohne Technologietransfer seinen hohen Preis wert ist.

Alte und neue Partner? Die AKP Regierung zappelt in der Abhängigkeit von beiden Großmächten –  wird von ihnen hin- und hergeschoben, und kann sich aus dieser Abhängigkeit immer weniger lösen, kritisiert der ehemalige Erdogan-Berater Etyen Mahcupyan.

Erzfeinde und Konkurrenten

Im Nahen und Mittleren Osten sieht die Lage für die Türkei nicht besser aus.

Die Erzfeinde Tayyip Erdogans, der Herrscher in Ägypten, Al-Sisi, und der in Damaskus, Assad, sitzen fester im Sattel als zuvor – und das aufgrund der Unterstützung Amerikas und Russlands. Der Bürgerkrieg in Syrien und der Kampf gegen den IS hatten im Irak und Syrien vor allem ein Ergebnis: Der erste Konkurrent Ankaras in der Region, Iran, hat sein Einflussgebiet erheblich ausgedehnt

Ohne Iran geht weder im Irak noch in Syrien etwas. Und wo bleibt die „Regionalmacht“ Türkei? Dabei hatte Tayyip Erdogan erst im September letzten Jahres erklärt: Es gibt ab jetzt keinen Plan mehr für die Zukunft Syriens ohne unsere Zustimmung – und sein Außenminister Cavusoglu konkretisierte im Dezember: ‚Es wird keinen Übergang in Syrien mit Assad geben’. Bekanntlich kam es anders.

Wo bleibt der Einfluss Ankaras auf den gefährlichen Konflikt zwischen Saudi-Arabien und Iran? Der saudische Kronprinz geht daran, den Mittleren Osten neu zu ordnen. Er gründet einen „Neuen Golfkooperationsrat“ und viele halten auch einen Waffengang mit Teheran für möglich. Ankara hat keine Strategie für die Region, sondern reagiert nur noch von Tag zu Tag auf unangenehme Entwicklungen, klagt der Korrespondent der Tageszeitung Hürriyet, Serkan Demirtas.

Dazu kommt: Manch überraschender Spurwechsel oder verbales Gepolter in der Außenpolitik ist eher ein kurzatmiges Manöver, um die eigenen Anhänger am Bosporus bei Stande zu halten.


Stimmungsmache und wenige Diplomaten


Stimmungsmache gegen Israel zum Beispiel zieht bei den AKP Wählern immer. Gerade mal vor 18 Monaten hatten Ankara mit TelAviv wieder ordentliche diplomatische Beziehungen aufgenommen – nach mehr als 6 Jahren im Dauerstreit. Nun schafft Donald Trump große Unruhe in der arabischen Welt mit seiner Ankündigung, die US Botschaft von TelAviv nach Jerusalem zu verlegen – und Tayyip Erdogans erste Reaktion darauf ist eine Drohung an Israel: Man könne auch die türkische Botschaft dort sofort wieder schließen.


Das laute Holpern der türkischen Außenpolitik hat im Übrigen auch strukturelle Gründe. Ein türkisches Forschungsinstitut (USAK) hatte schon 2012 eindringlich gewarnt: Das Außenministeriums habe zu wenig Geld (nur gut 400 Mio Euro) und zu wenig diplomatisches Personal (5.500 - Das Auswärtige Amt in Berlin z.B. verfügt über rd. 5 Mrd Euro und beschäftigt 11.000 Mitarbeiter).

So konnte man von schon vor einiger Zeit erfahren, dass in der türkischen Botschaft in Teheran gerade mal ein Diplomat anzutreffen sei – immerhin die größte Botschaft Ankaras in der Region im wichtigsten Nachbarland. 2013 protestierten 150 ehemalige Botschafter gegen ein Gesetz, wonach „Seiteneinsteiger“ ohne diplomatische Ausbildung und Erfahrung sogar als Botschafter eingesetzt werden können. Und schließlich verkündete der türkische Außenminister vor wenigen Tagen, man habe im Rahmen der Säuberungsaktionen gegen die Anhänger des Predigers Gülen rund 25 % des diplomatischen Corps gefeuert.


Wenn bei der Besetzung der Positionen nun auch noch ‚Linientreue’ vor fachlicher Eignung rangiert, wird es für die Partner der Türkei auf lange Sicht schwierig bleiben. Wird’s besser? Wird’s schlechter? Es wird wohl auf jeden Fall komplizierter.

 

(aktualisiert 8.12.)

© 2022 Dieter Sauter
  • Über mich
  • Presse
    • Presse zu Filmen
    • Presse zu Fotos
    • Presse zu Texten/Büchern
  • Kontakt
  • Datenschutz
  • Impressum