Dieter Sauter
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Schiessen Türken auf US Soldaten ?

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Erstellt: 16. Dezember 2018

Der türkische Staatspräsident Tayyip Erdogan kündigt eine neue Offensive der Armee im Norden Syriens an. Doch dort treffen türkische Soldaten dann auch auf US Militär. Schiessen demnächst türkische Soldaten im Norden Syriens auf Amerikanische GI’s ?

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Abdullah Agar wird in der regierungsnahen Zeitung Yeni Safak als „Sicherheits- und Terrorexperte“ vorgestellt. „ Was passiert, wenn türkische Soldaten bei ihrem Vormarsch im Norden Syriens auf US Militär treffen?“ wird er gefragt.

„Gibt es das Risiko, dass es zu solch einer Konfrontation kommt? Ja, die gibt es“, antwortet er, „aber das Risiko ist für die amerikanischen Soldaten viel größer als für die Soldaten der türkischen Armee“.

Fast der gesamte Norden Syriens, an der Grenze zur Türkei, wird von der Syrischen Demokratische Armee (SDF) kontrolliert und dabei vom US Militär unterstützt. Das militärische Rückgrat der SDF sind die kurdischen Milizen zur „Verteidigung des Volkes“ (YPG). Für Ankara ist das die syrisch angestrichene PKK.

Es wird aber nur ‚fast’ der gesamte Norden Syriens von der SDF und den Kurden kontrolliert.

Bereits im Januar dieses Jahres marschierte die türkische Armee im Nordosten Syriens ein. unterstützt von rund 30 Einheiten sunnitisch-syrischer Kämpfer, die vor allem von Ankara ausgerüstet wurden. Russland hatte der Türkei diese Invasion genehmigt. Die USA hielten still. In diesem Teil Nordsyriens ist kein US Militär stationiert.

Nach mehr als 6 Wochen und mehr als 2.000 Toten zog die türkische Armee in der nordsyrischen Stadt Afrin ein. Die liegt gut 30 km südlich der türkischen Grenze. Die Syrisch-demokratische Armee mit den Kurdenmilizen (YPG) mussten sich aus dieser Region zurückziehen.

‚Die türkische Armee wird weitermarschieren’

Schon damals drohte der türkische Staatspräsident, das sei erst der Anfang. Er wolle eine 30 km tiefe „Pufferzone“ an der gesamten türkisch-syrischen Grenze kontrollieren, um sein Land vor Terrorangriffen der PKK zu schützen. Kurz: Er kündigte an, die türkische Armee werde von Afrin aus Richtung Westen weitermarschieren – nächstes Etappenziel: Die Stadt Manbij.

Bereits im Oktober 2017 hatte Tayyip Erdogan auf einer Fraktionssitzung seiner Regierungspartei AKP eine Losung ausgegeben, die das Völkerrecht auf den Kopf stellte: Alle Fragen, die Syrien und den Irak betreffen, seien „innere Angelegenheiten“ der Türkei. Deshalb habe keiner das Recht zu fragen, wieso sich die Türkei dort einmische.

Der Nationale Sicherheitsrat der Türkei (MGK) bestätigte am 28. Maärz 2018, man werde sowohl im Norden des Irak als auch in Nordysrien Richtung Manbij vorrücken, wenn diese Gegend nicht bald von den Terroristen (YPG) gesäubert sei.

Im Oktober 2018 erneuerte der türkische Verteidigungsminister Hulusi Akar die Erdogan- Doktrin. Wenige Wochen zuvor vom Generalstabschef zum Verteidigungsminister umdekoriert, warnte er in einer Rede zum Republikfeiertag (29.10.) alle Nachbarstaaten: Man werde weder in der Luft noch zu Wasser oder zu Land Niemandem in der Region auch nur einen Schritt erlauben, der von der Türkei nicht genehmigt sei oder den türkischen Interessen zuwiderlaufe.

Auch der türkische Innenminister Süleyman Soylu bläst dieses Wochenende noch einmal die Backen auf: "In dieser Region kann niemand irgendetwas gegen uns ausrichten, ob Deutschland, Großbritannien oder Amerika."

Die USA hatten gewarnt

Die US Armee hatte da aber schon lange zurück - gewarnt.Bereits im Januar, als die Türkei in Syrien einmarschierte, hörte man US General Joseph L. Votel (Regionalkommando für den Nahen-Osten - CENTCOM) bei CNN International: Die amerikanischen Truppen dächten gar nicht daran, sich aus Manbij zurückzuziehen. Insgesamt unterhält die US Armee nach Aussagen von Beobachtern mehr als 20 Militärstützpunkte im Norden Syriens. Das Pentagon spricht von 2.000 amerikanischen Soldaten im Norden Syriens.

Seither streitet sich Ankara mit den USA, wie es im Norden Syriens weitergehen soll. Einmal erklärt der türkische Außenminister Cavusoglu, man habe sich mit Washington auf eine „Roadmap“ geeinigt. Alle kurdischen Milizen (YPG), die von den USA unterstützt werden, würden aus der Region Manbij abziehen weiter Richtung Westen.

Dann aber hört man vom US Militär, man werde der türkischen Armee nicht erlauben, in Manbij einzumarschieren. Man sei dabei, im Norden Syriens 40.000 Mann zur „Grenzschutztruppe“ auszubilden und Grenzposten zur Türkei zu errichten, auch um das ‚türkische Territorium’ zu vor Angriffen zu sichern.

Kommt es nun zum Showdown zwischen der türkischen Armee und dem US-Militär?

Am Vorgehen der Türkei in Syrien wird besonders deutlich, wie sich das Land unter Tayyip Erdogan an den selbst aufgestellten Stolperfallen verfängt. Es schliddert innen – und außenpolitisch zwischen sich widersprechenden Strategien, taktischen Finten und kurzatmigen Winkelzügen hin und her.

Wo soll es hingehen? Die Türkei als hard-power, als (auch militärisch) einflussreiche Regionalmacht? Als Schutzmacht aller (sunnitischen) Muslime im Nahen und Mittleren Osten?

Beim Versuch, Schutzmacht aller sunnitischen Muslime zu werden, hat sich das Land inzwischen fast alle bedeutenden Staaten der Region (Irak, Ägypten, Saudi-Arabien) zu Gegnern gemacht.

Die Türkei als Militärmacht ?

Und militärisch? Es war Russland, das der Türkei (in Syrien) erlaubte und ermöglichte, wieder militärisch Einfluss in der Region zu nehmen. Nur: Praktisch kann das die Türkei nur an der Seite der USA und der NATO. Nicht nur in Sachen Aufklärung, fast die gesamte Rüstung und Rüstungsproduktion des Landes hängt (noch lange) von Lieferungen, Lizenzen und vom Wohlwollen der USA ab. So taumelt die türkische Armee seit Monaten zwischen Bangen und Betteln, ob Washington wie einst vereinbart auch tatsächlich den neuen Kampfjet F-35 an Ankara liefern wird. Washington zögert, weil Ankara sich ein Raketenabwehrsystem in Russland kaufen will.

Überlagert werden diese Widersprüche noch von der Kurdenfrage, die Ankara inzwischen zum „Überlebenskampf der Nation“ hochstilisiert. Sie bringen die Türkei schließlich in Widerspruch zu allen Akteuren - gerade in Syrien.

Mit Moskau und Washington „im Gespräch“

Man sei, so die Sprecherin des russischen Außenministeriums, mit der Türkei „im Gespräch“ wegen der geplanten Offensive Richtung Manbij. Es sei ja bekannt, dass man nicht in allen Fragen, auch nicht in der Kurdenfrage, mit der Türkei immer einer Meinung sei.

Bekanntlich gilt die PKK in Russland nicht einmal als Terrororganisation. Streitet sich Ankara mit Washington gefällt das Moskau. Putin hält aber auch seine Hand über die Kurden in Syrien, solange die ihm dabei helfen, weder Assad noch Iran in Syrien zu mächtig werden zu lassen.

„Im Gespräch“ war Tayyip Erdogan am letzten Freitag offenbar auch mit dem amerikanischen Präsidenten. Er habe mit Trump über die Lage in Syrien telefoniert, berichtet die Presse. Bekannt wurde nur, beide „Führer seien sich einig gewesen, dass man sich in Sachen Syrien effektiver kooridinieren müsse“ (Hurriyet)

Nur ein innenpolitischer Winkelzug?

Kommt es tatsächlich zur angekündigten Offensive der türkischen Armee ? Oder war die Drohung Richtung USA und syrischer Kurden vor allem der Versuch eines innenpolitischen Schachzugs, wie einige am Bosporus vermuten.

Tayyip Erdogan verhandelt nämlich gerade mit dem rechtnationalistischen Extremisten Devlet Bahceli (MHP) über eine Zusammenarbeit bei den Kommunalwahlen nächsten März. Zusammen mit Bahceli hofft Erdogan, eine zu offensichtliche Niederlage bei den Kommunalwahlen vermeiden zu können – trotz der düsteren Wolken am, Wirtschaftshimmel. Bahceli fordert schon lange ein viel energischeres militärisches Vorgehen gegen die „kurdischen Terroristen“.

Und dann? Erdogan kann mit einem militärischen Abenteuer, bei dem er gar auf US Militär trifft, die wirtschaftlichen Probleme seines Landes noch erheblich vergrößern. Das wiederum könnte seinen Rückhalt am Bosporus weiter schwächen. Vom letzten amerikanischen Stirnrunzeln Richtung Ankara im Sommer hat sich das Land noch lange nicht erholt. Das Lavieren wird für den türkischen Staatspräsidenten immer komplizierter.

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