Dieter Sauter
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Der Schlag mit dem Olivenzweig

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Erstellt: 21. Januar 2018

Die türkische Offensive im Norden Syriens , die Operation "Olivenzweig", gegen die Kurden der YPG hat begonnen. Wohin wird das führen?

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Ist die türkische Armee inzwischen im Norden Syriens einmarschiert? Wie weit sind die Einheiten schon vorgerückt? Wer hat die Raketen aus Syrien auf türkisches Territorium abgefeuert? Gab es vorher eine Übereinkunft zwischen Moskau und Ankara?

Nutzt Moskau die türkische Offensive, um den USA zu schaden? Die USA aus Syrien zu drängen? Was wurde mit Washington besprochen?

Man wird alle Nachrichten der vergangenen und nächsten Tage mit großer Vorsicht lesen müssen. Was wahr ist erfährt man meist erst später.

Schon die Ziele, die mit der Militäroperation erreicht werden sollen, sind nicht eindeutig. Der türkische Staatspräsident Tayyip Erdogan will „die Grenze im Süden vom Terror säubern“. Allgemein bekannt ist, dass er damit die Mitglieder der kurdischen Militärorganisation YPG im Norden Syriens meint, die er für einen Ableger der PKK hält. Der noch türkische Regierungschef Binali Yildirim erklärt, man wolle mit der Militäroperation eine „30 km breite Sicherheitszone“ schaffen.

Das klingt logisch, denn kein Militär kann der türkischen Regierung versprechen, dass alle YPG Mitglieder bei solch einer Operation getötet oder gefangen genommen werden. Die müssten sich ja nur für kurze Zeit ein paar Kilometer zurückziehen. Andererseits ist aber eine „Sicherheitszone“ nur ein anderes Wort für eine dauerhafte Besetzung syrischen Territoriums durch das türkische Militär. Es ist sehr unwahrscheinlich, dass dies gelingt. Der internationale Druck dagegen wird rasch zunehmen. Schon jetzt warnt Teheran die Türken, ihre Truppen sofort aus Syrien zurückzuziehen. Die USA, die EU und auch Russland, die Schutzmacht des Iran, wird Ankara nicht einfach gewähren lassen. Außerdem hat ja auch Tayyip Erdogan immer wieder die „territoriale Einheit“ des Staates Syrien gefordert.

Alles in allem erinnert der Schlag mit dem Olivenzweig auf den Norden Syriens sehr an die Schläge der türkischen Armee in die Schluchten des Nordirak.

Vier Mal ist die türkische Armee mit denselben Zielen gegen die PKK in den Nordirak einmarschiert. Auch damals war immer wieder von einer "Pufferzone" oder "Sicherheitszone" gegen die PKK die Rede. 1992 dauerte die Operation länger als 6 Wochen. 1997 rückten die türkischen Truppen gleich zwei Mal im Nordirak vor. Einmal blieben sie 8 Wochen, einmal drei Wochen und 2007 versuchten die türkischen Militärs noch einmal eine Woche lang den Nordirak von der PKK „zu säubern“. Tausende und Abertausende PKK Mitglieder seien „unschädlich gemacht“ worden. Trotzdem: Das Ergebnis all dieser Operationen ist bekannt. Die PKK ist im Nordirak nicht weg“gesäubert“

Allein die „Neben-Kosten“ für eine vierstündige Kampfhandlung im Nordirak 2007 soll 20 Millionen USD gekostet haben (5 Mio nur für den Sprit der Kampfflugzeuge, und 13 Mio für die Bomben, die sie abwarfen, weitere 2 Mio für die Munition der türkischen Artillerie) so damals die türkische Tageszeitung Hurriyet.

Tatsächlich sind die „Kosten“ für den Kampf gegen die PKK und die offene Kurdenfrage ungleich höher. Es gibt kein Problem in der türkischen Politik, das alle anderen Fragen so überlagert – und dem Land unabsehbaren Schaden zufügt, wie das Kurdenproblem.

Eine große Zahl aller außenpolitischen Konflikte, ob mit Russland, den USA, mit Europa und den Nachbarstaaten Irak, Iran und Syrien wären mit einer Lösung der Kurdenfrage beseitigt. Der wirtschaftliche Aufschwung der Türkei ist nicht nur wegen der direkten militärischen Kosten erheblich behindert. Fast ein Drittel des Landes gilt unausgesprochen als Kriegsgebiet. Immer größer wird der Unterschied zwischen dem Westen und dem Osten der Türkei und zwar in allen Fragen – bis hin zur Schulbildung der Kinder dort. Im Westen lähmt es außerdem den wichtigsten Wirtschaftszweig des Landes, den Tourismus.

Es treibt die Bürger der Türkei erneut auseinander und gegeneinander in „Kurden“ und „Türken“. Noch vor weniger als 10 Jahren gab es so etwas wie eine Aufbruchsstimmung am Bosporus. Viele Bürger auch der zahlreichen anderen Minderheiten in der Türkei begannen, sich in der Gesellschaft einzubringen, mit wirtschaftlichem Engagement, mit ihrer Kultur. Jetzt ziehen alle wieder die Köpfe ein.

Besonders tragisch ist: All das hatte Turgut Özal schon 1990 erkannt. Er hatte gesehen, dass eine dauerhafte Entwicklung des Landes nicht möglich ist, wenn man einfach negiert, dass es ein „Kurdenproblem“ gibt. Er wollte Schluss machen mit der alten Losung: Es gibt keine Kurden es gibt höchstens „Bergtürken“. Özal starb bald darauf und vor allem das türkische Militär widersetzte sich einem Friedensprozess. Danach galt wieder die Parole: Es gibt kein Kurdenproblem, es gibt nur ein Terrorproblem, und das wird mit militärischen Mitteln gelöst.

Es folgte ein blutiger Bürgerkrieg mit dessen Folgen das Land noch heute ringt. So fordern z.B. noch immer die Mütter von 17.000 Menschen, die während dieser Jahre „spurlos verschwunden“ waren und später ermordet aufgefunden wurden, Aufklärung. Heute nennt man die 90iger Jahre die „verlorenen Jahre“ der Türkei.

Man muss kein Prophet sein, um zu wissen, dass diese Militäroffensive in Syrien für die Türkei vor allem teuer wird. Denn das trifft für alle Fragen zu, die der Armee in Auftrag gegeben werden, sich militärisch aber nicht lösen lassen. In Sachen „Kurdenfrage“ hat die Türkei leider schon eine vierzigjährige Erfahrung – und viel zu viele alte Losungen und nirgends ist eine neue in Sicht. 

Hat Tayyip Erdogan den Einmarsch nach Syrien vielleicht auch befohlen, um sich gegenüber seinen Anhängern und den Rechtsnationalisten als starker Mann zu beweisen? Obwohl er weiß, daß militärisch nicht viel zu erreichen ist? Auch das wäre in der türkischen Politik leider nichts Neues.

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