Was bleibt nach der Wahl? Für das schwere Projekt „neue Verfassung für die Türkei“ braucht der grosse Wahlsieger Tayyip Erdogan Stimmen aus dem Lager des politischen Gegners. Schwierige Bedingungen.

 

 Der Rauch des Wahlkampfes und der Wahlnacht hat sich verzogen. Was bleibt ? Für das schwere Projekt „neue Verfassung für die Türkei“ braucht der grosse Wahlsieger Tayyip Erdogan - trotz seiner beachtlichen Mehrheit im Parlament (326 von 550 Sitzen ) - Stimmen aus dem Lager des politischen Gegners. Ein Kompromiss? In der Türkei ein schweres Lied. Alle Koalitionsregierungen endeten in der politischen Krise und vorgezogenen Neuwahlen.

Wo sollen die fehlenden Stimmen für eine neue Verfassung herkommen? In der größten Oppositionspartei, der Republikanischen Volkspartei, CHP, (26 % und 136 Sitze) hat schon einen Tag nach Wahl erneut das Hauen und Stechen um den richtigen Kurs begonnen. Bleibt sie ein rückwärtsgewandter Verein, der auch mutmassliche Putschisten unterstützt, oder gelingt ihr der Aufbruch zur demokratischen Partei? Das ist noch vollkommen offen. Die rechtsgerichtete Partei der Nationalen Bewegung (MHP) hat die Wahl verloren (13% und 53 Sitze). Sie ist mit ihren überholten Positionen des letzten Jahrhunderts nur der Bremser bei diesem Projekt.

Bleiben die unabhängigen Kandidaten der „Partei für Frieden und Demokratie“ der Kurdenpartei (BDP). Um die hohe 10% Hürde zu umgehen, hatte die BDP sog. unabhängige Direktkandidaten aufgestellt - und konnte die Zahl ihrer Sitze von 20 auf 36 steigern. Sie ist der zweite grosse Sieger in dieser Wahl. Ein wichtiger Grund war: Die BDP hat sich geöffnet. Sie hat ihre eindimensionale Rolle als politischer Arm der PKK zumindest ein Stück weit aufgegeben und auch Künstler, islamisch-konservative Kandidaten und Vertreter anderer Minderheiten als Kandidaten unterstützt.

Die BDP will die Abschaffung der 10% Hürde bei den Wahlen, Kurdisch auch im Schulwesen und der Staatsverwaltung, mehr Rechte für Stadtverwaltungen und die Regionen. Bisher schien darüber aber eine Verständigung auch mit AKP ausgeschlossen. Ob das Projekt „neue Verfassung“ gelingt ist also noch offen.

Dass Erdogan die Mitgliedschaft in der Europäischen Union nicht aufgeben will, hat er bereits in einer Strukturreform des Kabinetts deutlich gemacht. Es wird ein Ministerium geben, das nur für die Verhandlungen mit der Europäischen Union zuständig ist.