Dieter Sauter
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„Was verlangen Sie von mir?“

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Erstellt: 24. März 2018

„Ich werde alles Nötige umsetzen“ – hört Tayyip Erdogan von seinem neuen Medienmogul am Bosporus. Derweil lässt der türkische Staatspräsident ein feinmaschiges Netz über jedermanns Ansichten flechten.

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Die Zitate sind frei erfunden, der Telefonmitschnitt, dem sie entnommen sind, sei selbstverständlich gefälscht. Das behauptet jedenfalls die Regierungspartei AKP. Damals, 2013, soll Erdogan Demirören mit Tayyip Erdogan telefoniert haben. Erdogan Demiröen ist 79 Jahre alt, der Chef der türkischen Demirören- Holding, und schon damals Besitzer der Tageszeitung Milliyet. Tayyip Erdogan soll sich bei diesem Telefongespräch über eine nichtgenehme Schlagzeile in der türkischen Tageszeitung Milliyet beschwert haben, man hört den alten Holding Chef schließlich sogar weinen. Milliyet wurde fortan eine Zeitung, die streng auf dem Kurs Tayyip Erdogans blieb.

Alles nur noch regierungsnah

Inzwischen gehört dem Holding Boss Demirören mehr als nur die Tageszeitung Milliyet. Er hat für über 1 Mrd USD Dollar praktisch alle maßgeblichen Zeitungen der Türkei aufgekauft. Und damit nicht genug, es gehören ihm jetzt auch noch die (letzten) zwei großen Fernsehsender (Kanal D und CNN-türk), die bislang noch nicht unter dem Adjektiv „regierungsnah“ berichteten. Die sogenannten „oppositionellen Zeitungen“ am Bosporus kommen nun alle zusammen nicht einmal mehr auf eine Auflage von 80 tsd Exemplaren.

Reporter ohne Grenzen (ROG) nennt das einen „Baustein auf dem Weg zur Gleichschaltung“. Schon davor hatte ROG die Türkei beim Ranking zum Thema Pressefreiheit von 180 Plätzen auf Rang 155 verwiesen.

Der Journalist ist in der „Pflicht“

Dabei ist der Kauf der Fernsehsender eher noch wichtiger als der Erwerb der meisten Tageszeitungen. Bereits vor zwei Jahren ermittelte der German Marshall Fund (GMF) bei einer Erhebung in der Türkei: Rund ein Drittel der Türken lesen sowieso nie eine Zeitung. Nun gibt es auch im Fernsehen praktisch keine überregionale Nachrichtensendung mehr, die sich nicht der Regierung Tayyip Erdogans verpflichtet fühlt.

Wie weit diese „Pflicht“ geht, erfuhr die Nachrichtenmoderatorin Nevsin Mengü bei CNN türk z.B. im Mai letzten Jahres. Sie hatte in ihrer Sendung von ‚Spannungen zwischen Tayyip Erdogan und dem US Präsidenten Trump’ gesprochen und angemerkt, dass das Treffen von Trump mit Erdogan gerade mal 23 Minuten gedauert habe. Das war ihr letzter Auftritt. Damals nämlich wollte der türkische Staatspräsident bei seinem Antrittsbesuch in Washington von einem „Neuanfang“ in den türkisch-amerikanischen Beziehungen hören.

Verbieten schon vor der Veröffentlichung

Neben diesem großen Deal mit Zeitungen und Fernsehsendern blieb fast unbeachtet, dass das türkische Parlament auch noch ein neues Internet-Überwachungs-Gesetz verabschiedete (21.3.) Auch in der Türkei haben inzwischen gut 80 % aller Haushalte einen Internet-Zugang, das sind fast 10 % mehr als noch vor einem Jahr. 84 % benutzen ein Smartphone.

Schon jetzt gibt es im Internet tausende Stichwörter, die „verboten“ sind
(siehe dazu mehr).

Der Zugriff der Behörden auf nicht genehme Inhalte im Internet war Zug um Zug erleichtert worden. Inzwischen dürfen sie Beiträge innerhalb von 24 Stunden aus dem Netz nehmen – und dafür auch nachträglich eine richterliche Genehmigung beantragen. So wurden schon mehrfach Facebook und Twitter komplett aus dem Netz genommen. Wikipedia ist seit April letzten Jahres gesperrt. Welcher Inhalt bei Wikipedia dafür verantwortlich gemacht wird, blieb unklar.

Das neue Gesetz geht noch einen Schritt weiter. Es soll verhindern, dass solche Inhalte überhaupt im Netz erscheinen. Wie? Jeder, der eine Website betreibt, soll dafür künftig eine Lizenz erwerben. Die wird erst nach einer „Sicherheitsüberprüfung“ durch die Polizei und die Geheimdienste erteilt. Dabei muss man wissen: Die meisten kritischen Journalisten der Türkei schreiben inzwischen für Internet-Journale.

Der hohe Rat der Kontrolle

Solch eine Lizenz erteilt nur das Kontrollorgan mit dem schönen Namen ‚Hoher Rat für Radio und Fernsehen’ (RTÜK)

Anders als in Deutschland gibt es in der Türkei seit 1994 eine zentrale Kontrollstelle für alle Radio- und Fernsehkanäle. Dieser Kontrollrat (RTÜK) wird entsprechend dem Wahlergebnis bei den Parlamentswahlen von Abgeordneten der Parteien gebildet. Also hat die AKP in diesem Kontrollorgan die Mehrheit. Die kurdennahe HDP, obwohl im Parlament vertreten, wird seit Oktober letzten Jahres bei RTÜK von der Mehrheit des Kontrollrates einfach nicht mehr zugelassen.

RTÜK überwacht täglich alle Radio- und Fernseh-Kanäle. Sie spricht Warnungen aus oder verhängt Strafen, wenn eine Sendung gegen die Regeln von RTÜK verstößt. So hat dieser Rat schon Geldstrafen ausgesprochen, weil es in einem Programm einen „Dialog über Kondome“ gab, oder weil ein Radiosender ein Lied der Sängerin Shakhira spielte, das eine „Aufforderung zu Homosexualität“ enthalte. Der Musikdienst Spotify hat inzwischen sein Türkei-Büro geschlossen, während der stellvertretende Ministerpräsident Bekir Bozdag erklärt, es sei keineswegs Zensur, wenn im Radio keine Lieder mehr zu hören sind, die mit „Rauchen“ oder „Alkohol“ zu tun haben. Auch eine Fernsehserie über einen fiktiven Alltag in einem Frauengefängnis wurde schon vor der Erstausstrahlung verboten. So sei das nicht in der Türkei, war die Begründung.

Schließlich hat RTÜK auch einen Sender verwarnt, weil in seinem Programm von „Gott“ und nicht von „Allah“ die Rede war. Der Kontrollrat kann außerdem ein allgemeines Berichtsverbot verhängen, wie das bei Attacken der PKK immer wieder geschieht. Ab und am werden Fernsehkanäle auch ganz abgeschaltet, wie drei FS Sender der nordirakischen Kurden im Herbst letzten Jahres, als dort ein Referendum über die Unabhängigkeit abgehalten wurde.

Seit dem versuchten Militärputsch im Juli 2016 wurden mehr als 320 Medien (Zeitungen, Buchverlage und Radio- und Fernsehsender) geschlossen.

Nun soll nicht nur jeder türkische Staatsbürger, der eine Website betreibt, bei RTÜK eine Genehmigung beantragen. Auch alle ausländischen Medien-Provider müssen um eine solche Lizenz nachsuchen, egal ob YouTube, Vimeo oder BBC, VoiceOfAmerica oder die Deutsche Welle. Das Netz, das die AKP Regierung über die Ansichten seiner Bürger wirft, wird immer engmaschiger.

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