Dieter Sauter
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Die Maus kreiste und gebar ...

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Erstellt: 05. Mai 2018

... eine Maus?  Das klingt wuchtig: Eine Koalition von vier Oppositions- Parteien gegen die Regierungspartei AKP und den Staatspräsidenten Tayyip Erdogan. Kann sie Tayyip Erdogan bei den kommenden Wahlen in der Türkei gefährlich werden?

 

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Bekanntlich stehen am 24. Juni in der Türkei ja gleich zwei Wahlen an. Es wird das Parlament gewählt, und es wird darüber abgestimmt, wer Staatspräsident in der Türkei werden soll.

Mit dieser Wahl geschieht aber noch was ganz anderes: Mit dieser Wahl tritt die neue Verfassung der Türkei in Kraft, über die bei einem Referendum letztes Jahr abgestimmt wurde. Danach wird das Parlament weitgehend entmachtet und unbedeutend, während der Präsident nahezu unumschränkte Macht erhält. Wird die Opposition Erdogan stoppen?

Keine kühne Aktion ...

Wenn man genauer hinschaut, sieht man zweierlei: Es ist keine kühne Aktion der Opposition, es ist nur die Reaktion auf Tayyip Erdogans Coup. Der hatte nämlich mit seiner Mehrheit im Parlament das Wahlgesetz ändern lassen und gleichzeitig eine solche Wahl-Koalition gesetzlich geregelt. Sofort danach schloss er mit zwei rechten Parteien (MHP und BBP) eine Wahl- Koalition, um sich die Mehrheit im islamisch orientierten mitte-rechts-Lager der Türkei zu sichern.

Bislang galt: Wer ins Parlament einziehen will, muss mindestens 10% der Stimmen erhalten. Das gilt auch weiterhin. Aber es gilt nicht für die Parteien, die mit der AKP eine Koalition eingingen. Die erhalten so viele Sitze im Parlament, wie ihnen nach Auszählung der Stimmen zustehen – denn sie ziehen ja (in Koalition) mit der (großen) AKP ins Parlament. Damit istauch der Grundsatz ‘gleiche Chancen für alle Parteien bei den Wahlen’ gekippt, eine Partei, die bei den letzten Wahlen nicht mal 70tsd Stimmen erhielt ( DP - Demokratische Partei), könnte jetzt ins Parlament einziehen, eine Partei, die bald 5 Mio Stimmer erhält ( HDP) aber vielleicht nicht. Doch das hat selbst die Opposition nicht gestört.

Chancengleichheit bei den Wahlen per Gesetz gekippt

Im Gegenteil. Die versucht nun das gleiche: Die größte Oppositionspartei im Parlament (CHP) schließt mit drei kleinen Parteien auch eine solche ‚Wahlkoalition’.

Blickt man auf die Stimmen der Parteien bei der letzten Wahl und mögliche Stimmengewinne und Verluste bei dieser Wahl, sehen Wahlbeobachter den Block der Regierungspartei AKP mit 25-27 Mio der Stimmen. Der Block der Opposition kommt dagegen nur auf 15-17 Mio der Stimmen.

Natürlich weiß keiner sicher, ob das auch so kommt. Möglicherweise stimmen die Wähler auch bei der Wahl der Abgeordneten im Parlament anders ab als bei der Wahl des Präsidenten. Sicher ist aber: Die Koalition der Opposition hätte nur Erfolg, wenn sie im Parlament die Mehrheit der Sitze erreichen würde. Nur so könnte sie – nach der neuen Verfassung – dem mächtigen Staatspräsidenten in die Parade fahren.

Das ist aber ausgesprochen unwahrscheinlich. Warum? Alle vier Parteien treten nicht gemeinsam zur Wahl an, weil sie gleiche Ziele verfolgen. Nicht im mindesten!! Es ist noch nicht einmal klar, wer von ihnen das neue Präsidialsystem wieder abschaffen wollte. Sie treten nur gemeinsam an, weil so jeder glaubt, er könne sich leichter ein Stück vom Kuchen der Macht sichern.

Jeder macht sei eigenes Ding

Deshalb konnten sie sich auch nicht auf einen gemeinsamen Präsidentschaftskandidaten einigen. Sie agieren nach der Losung: Wir treten ‚zusammen’ an, aber jeder macht sein eigenes Ding. Es sind allesamt „Führerparteien“ (siehe auch: Und der Wahlsieger ist ...), da will keiner einem anderen Führer Platz machen – nur, weil der auch gegen Erdogan ist.

Wie beliebig die politischen Inhalte hin- und hergeschoben werden, kann man bei der größten Oppositionspartei CHP beobachten.

Deren Führer, Kemal Kilicdaroglu, nennt gerade 5 Hauptprobleme der Türkei:
1. mangelnde Demokratie in der Türkei; 2. Streit mit fast allen Nachbarstaaten; 3. Die Polarisierung im Land; 4. In der Wirtschaft gibt es Probleme; 5. Das Bildungswesen müsse verbessert werden. Er nennt ausdrücklich NICHT das Kurdenproblem, dabei ist - ohne die Lösung der Kurdenfrage – keines der vier ersten ‚Hauptprobleme’ des Landes zu lösen.

Auch bei ihrer Wahlkoalition hat die CHP die Kurdenpartei HDP ausdrücklich ausgeschlossen. Sonst wären die anderen islamisch orientierten Rechtsaußen-Parteien, wie die IYI Partei mit Meral Aksener, nie mit der CHP zusammengegangen. Kurz: Die Opposition demonstriert selbst bei der Bildung ihres Wahlbündnisses und ihrer politischen Ziele Zustimmung zur Kurdenpolitik Tayyip Erdogans.

Wenn da nur nicht die vielen Stimmen der kurdischen Wähler wären. Die könnten bei der Präsidentschaftswahl jedoch sehr wichtig werden. Immerhin geht es um rund 5 Millionen Stimmen.

Ein bisschen Beinfreiheit

Für den gerade ausgerufenen Kandidaten der CHP für das Präsidentenamt, Muharrem Ince, eher die Herausforderung zu einem Eiertanz. Muharrem Ince demonstriert ein bisschen „Beinfreiheit“: Er möchte den inhaftierten Vorsitzenden der Kurdenpartei HDP, Selahattin Demirtas, im Gefängnis besuchen. Außerdem verspricht er, man könne die Kurdenfrage ja später im Parlament lösen. Dabei weiß er, dass es dafür auch im neuen Parlament nach Lage der Dinge keine Mehrheit geben wird. Und natürlich sagt er auch nicht, worin denn die Lösung der Kurdenfrage bestehen könnte.

Die Mannschaft also, die dem erfahrenen Politiker Tayyip Erdogan die Präsidentschaft und damit die Verwirklichung seines wichtigsten politischen Projektes streitig machen soll, ist sich nur darin einig: Sie wollen Tayyip Erdogan nicht. Und das soll reichen?

Nebenbei: Der Präsidentschaftskandidat der CHP, Muharrem Ince, war ein erbitterter Gegner des CHP-Vorsitzenden Kemal Kilicdaroglu auf dem letzten CHP Parteitag. Kilicdaroglu gelang es schließlich, Muharrem Ince mit List und Tücke kalt zu stellen. Nun ist er der neue
Hoffnungsträger der CHP, der „Geschichte schreiben wird“, wie Kemal Kilicdaroglu posaunt. Einige meinen allerdings, Kilicdaroglu habe Muharrem Ince zum Präsidentschaftskandidaten gemacht, weil er sowieso nicht an einen Wahlsieg glaubt. Die Niederlage hat dann Muharrem Ince an der Backe. Muharrem Ince zieht dann nicht einmal mehr ins Parlament ein, denn er kann nicht gleichzeitig für das Parlament und die Präsidentschaft kandidieren. So ist Kemal Kilicdaroglu seinen verhassten „Parteifreund’ dann auch im Parlament los.

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