Von einem Durchbruch beim Versuch, Tikrit vom IS zurückzuerobern, ist bislang nichts zu hören. Der Kampf dort ist auch ein Test für eine Großoffensive im Frühjahr, um den IS aus der Ölstadt Mossul zu vertreiben.

Morgen (4.2.) reist der türkische Verteidigungsminister Ismet Yilmaz, mit Vertretern des Aussenministeriums und des Generalstabes nach Bagdad, um sich mit irakischen Amtskollegen, der Führung der nordirakischen Kurden und US Militärs zu beraten. Wie kommt der Vorstoß zur Rückeroberung von Tikrit vorwärts? Was heisst das für die geplante Großoffensive im Frühjahr, mit der die Koalitionsstreitkräfte den IS aus der Ölstadt Mossul im Nordirak vertreiben wollen?


Entscheidend beim Angriff auf Tikrit ist: Wie verhält sich die (sunnitische) Bevölkerung in der umkämpften Region? Ist sie mehrheitlich noch auf der Seite des IS, weil die ehemalige Regierung Maliki in Bagdad die Sunniten gnadenlos unterdrückte? Oder sympathisiert sie inzwischen eher mit den angreifenden irakischen Truppen – und glaubt also, dass sich die neue Regierung Abadi in Bagdad gegenüber den Sunniten anders verhalten wird? Wie viele der sunnitischen Stämme in der Region beteiligen sich an den Kämpfen? Können die sunnitischen Kämpfer mit ihren einstigen Todfeinden, den schiitischen Milizen, überhaupt gemeinsam operieren? Von einem Durchbruch bei Tikrit ist bislang nichts zu hören. Das Land ist tief gespalten, aber nur wenn es zumindest teilweise gelingt, diese Spaltung zu überwinden, geht die Strategie Amerikas im Kampf gegen den IS auf.


Geprobt wird damit auch die Offensive zur Rückeroberung der irakischen Ölstadt Mossul im Nordirak. Vor knapp zwei Wochen hatten führende Militärs der Koalition im saudi-arabischen Riad den Angriff auf den IS in Mossul beschlossen. Er soll wohl zwischen Ende März und Ende April beginnen.


Tikrit zu verlieren wäre für den IS ein Verlust, aber Mossul zu verlieren würde den IS strategisch schwächen, da er sich vor allem über den Ölverkauf und Steuern finanziert. Die Ölvorkommen um Mossul sind mit die größten im Irak – und die Steuern aus der Millionenstadt Mossul sind bislang eine sichere und ständige Geldquelle.


Mossul einzunehmen wird aber noch schwieriger werden als der Kampf um Tikrit, und nicht nur, weil die Stadt keine 100.000 Einwohner hat sondern mehr als 2 Millionen. Die schlagkräftigste Truppe in der Region sind die Kurden. Aber die sind bei einem Großteil der arabischen Bevölkerung von Mossul so herzlich verhasst, wie die schiitischen Milizen der irakischen Armee. Und dann sind als weitere militärische Kraft noch die Kämpfer der PKK vor Ort, die von allen misstrauisch beäugt werden. Der Kampf um Mossul könnte nicht nur militärisch sondern auch politisch ein Testfall werden, ob das strategische Ziel der USA für den Irak überhaupt erreichbar ist: Die Stabilisierung eines irakischen Staatsgebietes.


Schließlich wird es darauf ankommen: Ziehen zumindest bei überschaubaren Zielen alle Partner der Koalition am gleichen Strang. Ankara wird sich am Kampf um Mossul beteiligen, versprach der türkische Verteidigungsminister vor seiner Abreise nach Bagdad. Aber was heisst das ?


Wird Ankara dem IS das türkische Territorium als Rückzugs- und Versorgungsraum sperren, zumindest soweit das möglich ist? Letzten Sonntag (1.3.) zum Beispiel kontrollierte die Polizei kurz hinter Istanbul einen LKW, der Babynahrung für Syrien geladen haben sollte. Unter der Plane fanden die Beamten dann aber einen Kleintransporter. Nach Angaben der türkischen Polizei und Gendarmerie sollen 2013-2014 rund 2.000 Fahrzeuge in der Türkei gestohlen und über die Grenze nach Syrien geschmuggelt worden sein.


Der US Geheimdienstchef James Clapper berichtete letzte Woche dem Senat in Washington: 60 % der Kämpfer, die zum und vom IS unterwegs sind, ziehen nach wie vor über türkisches Territorium. Auf diesem Weg wird offenbar auch ein wichtiger Teil des Ölschmuggels für den IS abgewickelt. Wenn der Weltmarkpreis für ein Barrel Rohöl bei sagen wir 50 USD liegt, dann verkauft der IS das Barrel für 30 USD an Schmugglerbanden. Die schaffen das dann – oft wohl über die Türkei - zu ihren Käufern. Wer sich wundert, wie das geht, muss sich auch wundern, wie jährlich Drogen im Wert von vielen Milliarden USD über türkisches Staatsgebiet nach Europa gelangen.


Vergangenen Mai bereits hatte der heute Regierungschef in Ankara, Ahmet Davutoglu, zwar eine neue professionelle Grenzssicherungstruppe angekündigt. Die solle auch die 900 km lange Grenze zu Syrien besser abriegeln. Er hatte aber gleichzeitig betont, dass auf keinen Fall Einheiten der EU Grenzsicherungstruppe Frontex auf türkischen Territorium sehen will.


James Clapper meinte letzte Woche: Ich glaube, die Türkei hat andere Prioritäten, als gegen den IS anzutreten. Tatsächlich kommen aus Ankara widersprechende Signale. So hat die türkische Regierung vor wenigen Tagen mit den USA zwar ein Abkommen zur Ausrüstung und Ausbildung von syrischen Oppositionellen unterzeichnet. Zur gleichen Zeit aber hat die Mehrheit der Abgeordneten der Regierungspartei AKP im Parlament einen Antrag abgelehnt, die Aktivitäten des IS in der Türkei zu untersuchen. Bekannt ist bis heute die Festnahme von einem (!) IS Kämpfer in der Türkei. Auch im kürzlich verabschiedeten Strategiepapier des Nationalen Sicherheitsrates findet sich nirgends ein Hinweis auf einen Gegner mit Namen IS.