Teheran will die Bombe – Washington und „der Westen" wollen das verhindern, Israel auch mit Gewalt. Hat sich daran etwas geändert - nach der Einigung auf Eckpunkte eines Atomabkommens mit der iranischen Regierung?

 


Iran wäre dumm, es würde auf die Bombe verzichten. Das sagte kein Mullah. Das sagte vor neun Jahren Egon Bahr einem Interview mit der Süddeutschen Zeitung (21.2.2006)


„Bahr: (...) Wenn ich dort (in Iran) Politiker wäre ... ich würde darauf sinnen, möglichst ohne Vertragsbruch, im Einklang mit dem Nichtverbreitungsabkommen und den zuständigen internationalen Behörden, meine Technologie so zu entwickeln, dass ich auf dieser Grundlage binnen eines halben Jahres die Bombe bauen könnte.
SZ : Und die Bombe würden Sie haben wollen?
Bahr: Aber natürlich! Wenn ich mir vorstelle ... mein Land, groß, stolz, reich, soll das einzige in der Gegend sein, das keine hat?! Wenn ich über Atomwaffen verfüge, habe ich einen neuen Sicherheitsstatus ... Wenn Milosevic eine Atomwaffe gehabt hätte, wäre er nicht angegriffen worden"


Bekanntlich starb der serbische Staatschef 2006 in einer Gefängniszelle einer UN Haftanstalt.


Der amerikanische Politiker Henry Kissinger (92) befasst sich schon so lange mit internationaler Politik wie Egon Bahr. Er lobt in seinem neuesten Buch „Weltordnung" das Mullah-Regime in Teheran. Es gebe im Mittleren Osten kein Land mit einer derart ausgefeilten Staatskunst. Das strategische Denken der iranischen Staatsführung übertreffe das der anderen Staaten in der Region bei weitem.


Teheran wird aller Voraussicht nach auch in Zukunft seine Absicht nicht aufgeben, die Bombe zu besitzen – trotz eines möglichen Atomabkommens im Juni, das wissen alle Verhandlungspartner; und nach Ende des Wirtschaftsembargos hat nun das Land auch noch die Chance, zu einem der wirtschaftlich stärksten Staaten der Region aufzusteigen. Einflussreicher als je zuvor ist es jetzt schon (siehe auch Artikel – Aussenpolitik - : Neuer Krieg, neues Glück) .


Trotzdem wäre der Abschluss eines Atomabkommens mit Iran im Juni ein großer diplomatischer Erfolg.


Zunächst wäre damit ein weiterer Krieg in der Region verhindert. Israel hat bekanntlich ernsthaft mit einem Militärschlag gegen Iran gedroht, Saudi-Arabien hat das unterstützt. Die Folgen eines solchen militärischen Abenteuers wären unabsehbar. Ausführen kann ihn TelAviv nun nicht mehr. Thomas De Maizière, meinte schon im September 2009 (damals war er noch Verteidigungsminister): Ein Angriff auf den Iran sei nicht illegitim, aber auch nicht klug. Tatsächlich würde bei einem Militärschlag gegen Iran die ganze Region wahrscheinlich noch tiefer in einen großflächigen Krieg getrieben, mit unabsehbaren Folgen. Dass so die iranische Bombe verhindert werden könnte, bezweifeln selbst viele Militärs des Westens.


Verhindert wäre auch ein atomares Wettrüsten im gesamten Mittleren Osten. Hätte Teheran die Bombe, wollte Kairo auf jeden Fall auch eine, Saudi-Arabien sowieso und die Türkei plant nicht umsonst schon seit 10 Jahren den Bau eines ersten Kernkraftwerkes am Schwarzen Meer. Atomkraftwerke wollen außerdem Kuweit, Bahrein und Jordanien.


Die iranische Bombe wäre damit nicht verhindert. Gewonnen sind stattdessen nur wenige Jahre – höchstens 10. Bekanntlich dauern schon die Verhandlungen über solch ein Abkommen beinahe 10 Jahre. Allein in den letzten 5 Jahren aber hat sich die gesamte Region so radikal verändert – keiner kann vorhersehen, wie sie in 10 Jahren aussehen mag. Das könnte auch eine Chance sein.


Die Verlierer dieses Abkommens heißen wahrscheinlich Saudi Arabien und die Türkei. Sie könnten bei einem einflussreicheren Iran an Bedeutung in der Region einbüßen. Schon klagen einige türkische Kommentatoren: Wieso nur hat der türkische Staatspräsident Tayyip Erdogan vor wenigen Tagen Iran zum Feind erklärt (siehe auch Artikel – Aussenpolitik - : Neuer Krieg, neues Glück). Eigentlich sei Ankara doch traditionell immer freundschaftlich oder zumindest gut nachbarlich mit Iran verbunden gewesen. Die Chancen der Türkei lägen in der Rolle als Mittler zwischen Iran und dem Westen.


Mittlerweile jedoch wird in den iranischen Zeitungen debattiert, ob Tayyip Erdogan seine für diesen Monat geplante Reise nach Teheran überhaupt antreten soll. Konservative in Iran fordern die Regierung auf, den Besuch Erdogans wegen seiner "Beleidigungen" abzusagen, zumindest solle er sich dafür entschuldigen.